Aux Chambres Assemblées ([Paris], 9. Februar 1787)
[Pierre-Augustin Robert de Saint-Vincent]:
[Discours] Du 9 Fèvrier 1787. Aux Chambres Assemblées. Un de Messieurs, Conseiller de Grand-Chambre, a dit: Monsieur, ...
[Rede] vom 9. Februar 1787. An die Vereinigten Kammern. Einer der Herren, Rat der Großen Kammer, sagte: Sehr geehrter Herr, ...
(dr). In seiner Rede vom 9. Februar 1787 vor den Vereinigten Kammern des Parlaments von Paris plädiert der aus jansenitischem Elternhaus stammende Jurist Pierre-Augustin Robert de Saint-Vincent (1725-1799) leidenschaftlich für die zivilrechtliche Anerkennung der Protestanten.
Durch die Revokation des Edikts von Nantes (1685) und die darauffolgende Massenflucht der Protestanten aus Frankreich habe das Land zahlreiche Untertanen und unermessliche Reichtümer verloren. Profitiert hätten davon vor allem die benachbarten Nationen wie England, Holland, Preußen und die Schweiz, deren Industrien durch die Aufnahme und Ansiedlung der Flüchtlinge (frz. refugiés) und ihre Manufakturen gewaltige Fortschritte verzeichnen konnten. Auch sei das Werk der katholischen Geistlichkeit, die den König Ludwig XIV. und seinen Rat zur Revokation des Edikts von Nantes und folglich zur Verfolgung der Protestanten bewegt hat, kritisch zu sehen: All die Jahre der „erzwungenen und simulierten“ Bekehrungen hätten keine wahrhaftigen Bekehrungen hervorgebracht, so dass es eine Illusion sei zu glauben, es gäbe keine Protestanten mehr im Königreich. Im Gegenteil: Allein seit 1740 seien mehr als 400.000 Ehen „in der Wüste“ (fr. au désert) geschlossen worden, d.h. die protestantischen Heiratswilligen haben den Ehesegen heimlich und durch protestantische Geistliche im Untergrund erlangt. Das Resultat dieser Eheschließungen seien allein in diesen 46 Jahren seither weitere 1,6 Mio. protestantische Untertanen, die ihrerseits „fähig zur Reproduktion und Multiplikation“ sind. In Wahrheit gebe es derzeit insgesamt drei Mio. in Frankreich verbliebene Protestanten – das Land könne es sich schlichtwegs nicht leisten, diese auch noch durch Emigration zu verlieren. Im Gegensatz zu Frankreich, das den Protestanten bislang ihre Zivilrechte verweigert und dadurch geschwächt ist, stünden benachbarte Länder, die ihren Bürgen die zivilen Rechte und somit die Religionsfreiheit gewähren, „in der größtmöglichen Blüte“.
Das beeindruckende Plädoyer gipfelt schließlich in dem erneuten Aufruf zur zivilrechtlichen Anerkennung der Protestanten. Es sei zu wünschen, dass die protestantischen Untertanen des Königs künftig „durch Milde, Liebe, Geduld und gute Beispiele“ zur Einheit mit der katholischen Kirche gelangten. Aus Barmherzigkeit, Mitleid und Güte gegenüber den Protestanten wolle man nicht aufhören, beim König Gerechtigkeit und Gnade für die Protestanten zu erwirken. Das Dokument endet mit dem Nachtrag, dass der Vorsitzende der Vereinigten Kammern des Parlaments den Auftrag erhielt, sich beim König für die zivilrechtliche Anerkennung einzusetzen.
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