Wallfahrts-Medaillon (Notre-Dame-de-l´Osier, 18./19. Jahrhundert)

NUM 18.002 Wallfahrtsmedaillon (Notre-Dame-de-l´Osier, 18./19. Jahrhundert) / © Sammlung PRISARD
NUM 18.002 Wallfahrtsmedaillon (Notre-Dame-de-l´Osier, 18./19. Jahrhundert) / © Sammlung PRISARD

Wallfahrtsmedaillon aus Notre-Dame de l'Osier (Dauphiné/Südostfrankreich)

 

Inschrift:

Le Protestant coupe les branches de l´Osier, et le sang en sort avec abondance.

(»Der Protestant schneidet die Äste des Weidenbaums, und das Blut tritt in großen Mengen aus ihm heraus.«)

 

Durchmesser: 69mm

Datierung: ND, 18./19. Jahrhundert

Verwendungszweck

(dr). Pilgerabzeichen, das ursprünglich als Beleg für eine abgeleistete Wallfahrt oder Strafpilgerfahrt am Zielort (hier: Notre-Dame de l´Osier) vergeben wurde. Als religiöse Medaillons wurden Pilgerabzeichen jedoch wie Talismane auch als Glücksbringer und Schutzamulette verwendet.

Historischer Kontext

(dr). Der für die südostfranzösische Region Dauphiné bedeutsame Wallfahrtsort Notre-Dame de l'Osier verdankt seine Entstehung einer angeblichen Marienerscheinung im 17. Jahrhundert, die auf wundersame Weise zur Konversion des Hugenotten Pierre Port-Combet zum katholischen Glauben geführt haben soll.

 

Der Überlieferung nach handelt es sich bei Pierre Port-Combet aus dem Weiler »Les Plantées« bei Vinay/Isère um einen strenggläubigen Calvinisten, der in einem katholischen Umfeld ganz bewusst katholische Gepflogenheiten und Feiertage missachtet und profanisiert. Am 25. März 1649, dem kirchlichen Jahrestag Mariä Verkündigung (lat. Annuntiatio Domini), entscheidet sich Port-Combet – trotz bestehendem Verbot der Alltagsarbeit und der Intervention seiner katholischen Frau Jeanne Pélion – dazu, die Äste eines Weidenbaumes zu schneiden. Als er mit den Baumschnittarbeiten beginnt, sind seine Hände und Kleidung plötzlich voller Blut, das aus dem Weidenbaum (frz. osier) fließt. Selber körperlich unversehrt, berichtet er seiner Frau von dem augenscheinlichen Wunder. Auf Anordnung ihres Mannes schneidet diese nun selber Äste vom Baum, ohne dass jedoch neues Blut hervorquillt. Als Port-Combet sich seinerseits wieder ans Werk macht, blutet der Baum erneut. Herbeigerufene katholische Nachbarn stellen dasselbe fest: Während ihr Ästeschneiden kein neues Blut hervorruft, fließt solches, sobald der Protestant Port-Combet zur Tat schreitet. Bald ist das Wunder, das mit der Heiligen Maria, Muttergottes, in Verbindung gebracht wird, weithin bekannt. Zivil- und kirchenbehördliche Untersuchungen bestätigen den Vorfall, der wundersame Weidenbaum entwickelt sich zu einer Gebetsstätte katholischer Frömmigkeit.

 

Port-Combet, zunächst wegen Verstosses gegen kirchliche Feiertagsbestimungen zu einer Busse verurteilt, bleibt äußerlich trotz zahlreicher Ermahnungen durch katholische Würdeträger weiterhin Calvinist. Dies möglicherweise aus Furcht vor Repressalien seitens der calvinistischen Glaubensgeschwister aus dem benachbarten Albe, die ihn von einer Konversion zum katholischen Glauben abhalten wollen. Dennoch scheint Port-Combet verändert, angeblich spricht er bald darauf mit Hochachtung von der Muttergottes, die in dem Blutwunder ihr Missfallen über die Entheiligung ihres Feiertags äußerte.

 

Sieben Jahre später, 1656 (anderen Quellen zufolge: 1657), als Port-Combet gerade mit Pflugarbeiten auf einem Ackerfeld beschäftigt ist, erscheint ihm die Muttergottes durch eine Vision persönlich. In einem Gespräch, dessen Wahrheit Port-Combet später noch auf dem Sterbebett beschwört, konfrontiert sie ihn mit seiner vermeintlichen calvinistischen Häresie und damit, dass er bald sterben würde. Sie bedroht ihn mit fürchterlichen höllischen Strafen, falls er sich nicht zum wahren Glauben bekehre. Falls er sich jedoch von seinem Irrglauben ab- und dem katholischen Glauben zuwende, so werde sie ihn vor Gottes Gericht beschützen. Als die Marienerscheinung vorüber ist, beschließt Port-Combet auf Knien, seinem bisherigen Glauben abzuschwören und in den Schoß der katholischen Kirche zurückzukehren. Zuhause angekommen und schon bald darauf tödlich erkrankt, konvertiert Port-Combet öffentlich zum Katholizismus, empfängt die heilige Eucharistie und stirbt. Wunschgemäß wird er am Fuße seines wundersamen Weidenbaums begraben, der bald schon zum Mittelpunkt einer großen Wallfahrtsbewegung wird.

 

Begleitet von einer entsprechenden Kultautorisierung zur Marienverehrung wird hier bereits 1657 ein Oratorium errichtet. Bis und mit 1659 folgt am gleichen Ort der Bau bzw. die Einweihung einer Kirche (frz. Église de Notre-Dame de l'Osier), die den infolgedessen gleichnamigen Ort Notre-Dame de l'Osier vollends zu einem Wallfahrtszentrum werden lässt - ihm werden seither zahlreiche Heilungswunder zugeschrieben. Am Ort der Marienerscheinung selbst wird eine Kapelle (frz. Chapelle de Notre-Dame-de-bon-rencontre) errichtet. Nach einer Blütezeit von über 100 Jahren erlebt der Wallfahrtsort Notre-Dame de l'Osier im Zuge der Revolution auch die teilweise Zerstörung ihrer Kultgegenstände sowie einen stärkeren Rückgang des Besucheraufkommens. Der Bau der heutigen Église de Notre-Dame de l'Osier wird 1868 (nach Grundsteinlegung im Jahr 1858) begonnen, das Kirchengebäude 1873 in Gegenwart des Bischofs von Grenoble eingeweiht, bevor es schließlich 1924 durch Papst Pius XI den Status einer Basilika erhält.

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