Henry Dunant – Gründer des Roten Kreuzes

Henry Dunant (1828-1910) / © Schweizerisches Rotes Kreuz, Bern (CH)
Henry Dunant (1828-1910) / © Schweizerisches Rotes Kreuz, Bern (CH)

Geburt

(dr). Henry (Geburtsname: Jean-Henri) Dunant wird am 8. Mai 1828 als erstes Kind von Jean-Jacques Dunant (1789-1875) und Anne-Antoinette Colladon (1800-1868) in Genf in eine alteingesessene, sozial-karitativ engagierte calvinistische Patrizierfamilie hineingeboren.

 

Hugenottische Vorfahren

Während die Vorfahren väterlicherseits bereits seit 1638 Genfer Bürger sind, gehen Henry Dunants Vorfahren mütterlicherseits auf Hugenotten zurück: Sein Ururgroßvater Etienne Gille stammt aus einer angesehenen protestantischen Familie aus Sommières im Languedoc (Südfrankreich) und flieht nach der Aufhebung des Edikts von Nantes (1685) nach Genf, wo er 1705 das Bürgerrecht erhält.

Stammbaum Dunant-Colladon-Gille

© Sammlung PRISARD
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Stammbaum Dunant-Colladon-Gille
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Berufliche Tätigkeit

Nach Ausbildung und mehrjähriger Berufstätigkeit in der Genfer Privatbank Lullin & Sautter de Beauregard begibt sich Henry Dunant 1853 im Auftrag zweier Schweizer Handelsgesellschaften nach Algerien: Hier investiert er als Geschäftsmann und Präsident einer eigens von ihm gegründeten »Aktiengesellschaft der Mühlen von Mons-Djémila« (frz. Société anonyme des Moulins de Mons-Djémila) erhebliche Mengen eigenen und fremden Kapitals in den Bau und Betrieb von Mühlen. Um die dringend benötigten Genehmigungen zu erhalten, wendet er sich zunächst vergeblich an die französische Kolonialbehörde. Schließlich reist er 1858 nach Norditalien, um bei Kaiser Napoleon III. persönlich vorstellig zu werden und diesem eine ihm gewidmete Schrift Das Römische Reich (frz. LʼEmpire romain) zu überreichen.

 

Schlacht von Solferino

Kaiser Napoleon III. befindet sich zu diesem Zeitpunkt mitten im Krieg: Auf Seiten Piemont-Sardiniens kämpft Frankreich gegen Habsburg-Österreich, welches das heutige Italien zu großen Teilen besetzt hält. Am 24. Juni 1859 kommt es in der Nähe des Gardasees (Lombardei) bei Castiglione delle Stiviere zur sog. »Schlacht von Solferino« mit Tausenden von Toten und Verwundeten. Dunant, zu diesem Zeitpunkt am Ort des Geschehens anwesend, beteiligt sich an der Pflege der vielen Verwundeten und versucht weitergehende Hilfe zu organisieren. Tief bewegt verfasst er daraufhin seine Erinnerung an Solferino (frz. Un Souvenir de Solférino), veröffentlicht sie 1862 zunächst auf eigene Kosten und verteilt sie sodann europaweit an Fürstenhäuser, einflussreiche Politiker und Militärs sowie an Zeitungen und bedeutende Gelehrte. Das Buch – innerhalb von kürzester Zeit ein Bestseller – findet enorme Zustimmung.

 

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

1863 gründet Henry Dunant zusammen mit Gustave Moynier, Louis Appia und Théodore Maunoir sowie dem berühmten Schweizer General Guillaume-Henri Dufour (1787-1875) das „Internationale Komitee der Hilfsgesellschaft für die Verwundetenpflege“ (frz. Comité international de secours aux blessés en cas de guerre; seit 1876: Internationales Komitee vom Roten Kreuz, IKRK). Im Folgejahr 1864 verabschieden 16 europäische Staaten die erste Genfer Konvention: Dieses internationale – inzwischen mehrfach überarbeitete und ergänzte – humanitäre Abkommen regelt den Schutz von Menschen, die nicht (mehr) am Krieg oder einem bewaffneten Konflikt beteiligt sind, z.B. verwundete, erkrankte, schiffsbrüchige oder kriegsgefangene Soldaten sowie Zivilpersonen. Bis heute haben 194 Staaten die so entstandenen Genfer Abkommen unterzeichnet.

 

Scheitern und späte Anerkennung

Trotz seines hohen Bekanntheitsgrades scheitert Henry Dunant in beruflicher Hinsicht: Verlustreiche Spekulationen mit Kreditgeldern der Genfer Bank Société du Crédit genevois führen 1867 zu deren Ruin und Liquidation, wobei Dunant als Verwaltungsrat und zugleich Kreditnehmer eine erhebliche (Mit-)Verantwortung trifft. Gerichtlich zum Schadensersatz verpflichtet, verliert er als 39-Jähriger daraufhin nebst seiner Reputation auch sein ganzes Vermögen. Er verlässt Genf und verbringt gesundheitlich angeschlagen viele Jahre in Paris, London und Stuttgart. Manisch-depressiv erkrankt, lässt sich Dunant schließlich 1887 für die letzten 23 Lebensjahre im schweizerischen Heiden (Appenzell Ausserrhoden) nieder. Hier unterhält er eine weiterhin rege Briefkorrespondenz und arbeitet intensiv an der offiziellen Anerkennung als Gründer des Roten Kreuzes und Initiator der Genfer Konvention. 1901 wird Henry Dunant der erste Friedensnobelpreis verliehen, bevor er am 30. Oktober 1910 als gebrochener Mann im Krankenhaus Heiden stirbt.

Yvonne Steiner:

Henry Dunant. Biographie

EUR 41,70 / CHF 48,-- (inkl. MwSt.)

1. Aufl. 2010

Gebunden / 516 Seiten

ISBN 978-3-85882-537-7

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Christliches Engagement

In seinem christlichen Glauben wird Henry Dunant stark von der »Evangelischen Gesellschaft« (frz. Société Evangélique) – einem Zusammenschluss von Christen innerhalb der Landeskirche – und der damit verbundenen internationalen Erweckungsbewegung (frz. Réveil) geprägt.

 

1846 tritt er der Almosengesellschaft (frz. Société dʼaumônes) bei, um sich als überzeugter, gläubiger Christ sozial-karikativ für Arme und Kranke zu engagieren. 1847 initiiert er zusammen mit anderen die sog. »Donnerstagsvereinigung« (frz. Réunion du jeudi), wo sich junge Männer einmal wöchentlich zum gemeinsamen Bibelstudium und Gebet treffen. Auch regelmäßige Gefängnisbesuche zählen zu seinem Engagement, ebenso die Mitarbeit in der lokalen »(Genfer) Evangelischen Allianz« (frz. Alliance évangelique de Genève). Diese ist Teil der überdenominationellen »Weltweiten Evangelischen Allianz« (engl. World Evangelical Alliance, WEA), die heute ein Netzwerk von Kirchen aus 129 Nationen und über 100 internationale Organisationen umfasst und insgesamt ca. 600 Mio. evangelische Christen repräsentiert.

 

Im Jahr 1852 entsteht auf Dunants Intitiative hin in Genf die Union chrétienne des jeunes gens (UCJG; im deutschen Sprachraum: Christlicher Verein Junger Männer, CVJM). Auch international bilden sich in dieser Zeit ähnliche Vereine und prägen Generationen von jungen Christen. Als überaus aktiver Sekretär der Genfer Union und international agierender Bankangestellter verfügt Dunant über ein weitreichendes Beziehungsnetzwerk, was ihm in der Folge auch Verdienste um den weltweiten Zusammenschluss der gleichnamigen Vereine einbringt (engl. Young Menʼs Christian Association, YMCA).

 

Auf dem ersten Weltkongress des Christlichen Vereins Junger Männer im August 1855 legt Henry Dunant sein Amt als Sekretär der Genfer Sektion relativ überraschend nieder und verlässt zugleich die gesamte Vereinigung: Berufliche Veränderungen, Veränderungen in seinem Glaubensleben und interne Spannungen in der Genfer Union dürften hierzu den Ausschlag gegeben haben. Letztere gehen soweit, dass Dunant 1868 offiziell aus der Genfer Sektion ausgeschlossen wird.

 

Diese und andere schmerzliche Erfahrungen dürften zu jener eher distanzierten Einstellung gegenüber organisierten Formen kirchlicher Religiosität geführt haben, die sich bei Dunant gegen Lebensende feststellen lässt.

Dunant Medaillen

Dunant Briefmarken


BFHG 09-10/2013 – Zeitschriftenausgabe
»Licht und Schatten – Porträts von Henry Dunant und Hugenottennachkommen im Dritten Reich«
BFHG_2013_09_10.pdf
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